(von Max R.)
 
Genre: Komödie, Thriller, Drama, Krimi, Lustspiel
 
 So richtig als Profi fühlte sich wohl keiner, wohl aber als erfahrener Amateur. Man hatte immerhin schon einmal eine Plattenaufnahme durchgestanden. Die Vorbereitungen verliefen nahezu reibungslos, was man von den vorausgegangenen Proben jedoch nicht unbedingt behaupten konnte. Doch jeder dachte, dass man nur dann zu Höchstleistungen fähig ist, wenn der Druck am größten ist. Der Aufnahmevorabend verlief wie gewohnt: aufbauen, aufstellen, ausrichten, umbauen …  Fast hätten wir unsere Dirigentin opfern müssen, denn genau am Chefplatz befand sich der beste Standort für die Stereomikrophone. Ein Stück könnten wir sogar noch fertig aufnehmen – so dachten wir zumindest.
 
 Am nächsten morgen konnte man die geschlafenen Stunden der einzelnen Orchestermitglieder an den Augenringen abzählen. Ich selbst habe erst gar nicht in den Spiegel geschaut! Dementsprechend zäh lief die Aufnahme an. Nach den ersten missglückten Versuchen, grübelte der Aufnahmeleiter über die Raumakustik nach. Kurzerhand wurden alte Vorhänge organisiert, die von bergerfahrenen Orchesterspielern in schwindelerregender Höhe befestigt wurden. Mit optimierter Akustik ging es weiter. Bei der Aufnahme unseres Paradestückes „Der Barbier von Sevilla“ fingen die Nerven zu „vibrieren“ an. Einzelne Passagen wurden zehn und zwölf mal wiederholt. Einmal lag es an der ersten Stimme, dann verpatzte die vierte Stimme den Einsatz, beim nächsten Mal war die zweite Stimme etwas „von der Rolle“. Der vorletzte Versuch schien zu klappen, da passierte es – ein leichter Abschlussakkord, markant und kräftig wie immer von der dritten Stimme zu spielen, wurde mir zum Verhängnis – selbstsicher und überzeugend griffen die Finger daneben, es schien als hätte mir der Teufel die Hand geführt! Im nächsten Augenblick trafen mich zwanzig Augenpaare. Wie gut, dass Blicke nicht töten können, sonst wäre dies mein letzter Fehlgriff gewesen! Aber nicht nur persönliche Missgeschicke, sondern auch ganz ungewöhnliche Begebenheiten vereitelten so manche Aufnahmeversuche. Einmal stürzte der Aufnahmeleiter herein, er hatte über seinen Kopfhörer ein Rauschen herausgehört. Die Überprüfung der elektronischen Geräte führte zu keiner Beanstandung. Ratlos und stumm blickten wir uns an, da plötzlich hörten wir es auch: Es war der Wind, der dürres Laub in seiner Herbstlaune über den Asphalt trieb und sich somit als Rauschen in unsere Aufnahme hineindrängte. Nebengeräusche entstanden auch durch knarrende Stühle, brummende Verstärker oder klappernde Schuhsohlen, die nervös den Takt mitschlugen, um ja nicht den nächsten Einsatz zu verpassen.

 Es erscheint im Nachhinein wie ein Wunder, dass wir am späten Abend eine komplette LP im „Kasten“ hatten. Wie befreiend wirkte unser üblicher „Schlachtruf“ (Hibi tscha …) nach der „letzten Klappe“, mit dem wir den Aufnahmeleiter und uns selbst hochleben ließen. Beim anschließenden kräftigen Umtrunk gab’s dann jede Menge Fröhlichkeit, vergessen waren aller Ärger und persönliche Opfer. Es schien, als würde man sich schon auf die nächste Plattenaufnahme freuen.